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Üb immer Treu und Redlichkeit…

(Bei der folgenden, absolut frei erfundenen Geschichte wären eventuelle Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Vorkommnissen wirklich rein zufällig und niemals beabsichtigt…)

Ubedingt! Altes deitsches Liedgut isch ein Schtück Kultur. Des isch sozusaga vertonte Bodaschtändichkeit und somit wichtich und wertvoll. Desweg sott oim die Erhaltung und Bewahrung solch melodischer Heimathochgenüsse au ebbes wert sei! Theoretisch.

Bloß isch es leider so, dass oim solcherlei Kultur eba beim direkta und vor allem beim täglicha akkustischa Zusammaprall an gewisse Grenza bringa kann. Ob mr jetz ans Brünnele geht, s’Ännchen von Tharau sich blicka lässt oder vor irgendwelche Haus- und Hofeigäng altersschwache Lindabehm rumstehet – wenn mr sich sotte bekannte Volksweisa mehrmols am Dag und monatelang per Gemeindezwangsbeschallung mit ohorcha muass, lasset sich deutliche Zweifel nimme unterdrücka. Also i sag bloß: Glockaschpiel!

Die vom Grundsatz her äußerscht lobenswerte Idee, au bei uns im Ort uff’m Rathaustürmle a wohltönendes Glockagebimmel hochzuhänga und somit alte Traditiona wieder uffleba zu lassa, isch überall und i geb’s zua, au bei mir uff großes Interesse gschtoßa. Weil mit so ma Vorhaba lässt sich mit oim Schlag dr Gemeinschaftssinn und die Verbundaheit der gesamta Bürgerschaft schtärka.

Gell und die Unterschtützung, wo dr neue Schultes für sei Glockaschpielidee kriagt hat, war wirklich überwältigend. Bald jeder Voroi und viele Gschäfts- und Privatleut waret sofort voll drbei und hent des Vorhaba tatkräftich gfördert. Mit zahlreiche Schpenda und Aktiona isch des Glockaschpiel innerhalb kurzer Zeit tatsächlich uff’s Türmle glupft und als weithin klingende Bereicherung beim letschta Weifescht feierlich eigweiht worda. I kann mi heut noch guat an die hochtragenden Worte und an den kräftiga Applaus erinnra, mit dene mr dieses weithin schtrahlende und hörbare Hochgewächs deutscher Glockagießkunscht begrüßt hat. Ja wirklich, die gesamte vosammelte und weinbeseelte Bürgerschaft war vom hella und weittragenda Klang der neua, vierazwanzich-töniga Gemeindebimmel sichtlich ergriffa. So ebbes Schönes!! Dass mr des no erleba derf!!

Wenn i zrückdenk, no war au für mi dieses neie Klangerlebnis ganz ehrlich koi bissle uognehm. Vor lauter Glöckles-Euphorie isch mir zu sellem Zeitpunkt wirklich no net recht bewusst gwä, dass bloß ugfähr fuffzich Meter Luftlinie drvo mei Häusle schteht. Noi, net dass mir des z’phäb wär, so mitta im Ort zu leba hat durchaus sei Vorzüge. Du hasch’s net arg weit zum Bäcker und zum Metzger, selbscht dr Friedhof und alles ondre was mr im Leba so braucht isch ringsrum au leicht zu erreicha. Bloß, genauer betrachtet isch mr eba au onderschtrum für alles, was aus dr Ortsmitte kommt, leicht erreichbar. Ja, und manche Sacha sind aus dr Dischtanz halt viel leichter zu ertraga, als wenn du’s direkt uff’m Trommelfell hasch.

Jetz sott mr moina, dass sich mit dr Zeit vielleicht so ebbes wie’n Gewöhnungseffekt eischtella däd. Des kann jo sei, aber bei mir isch leider eher s’Gegateil dr Fall. Weil, wenn oim des altbackene ‚Ännchen von Tharau‘ Dag für Dag ihr Leid vorbimmelt, no läuft eba doch irgendwann s’Fässle über, denn dr Brunna vor dem Tore schüttet oim bloß solang sein lautschtarka Schwall ins Ohr, bis‘s irgendwo dr Schpunta zum Schtädtele naushaut.

Guat, i hab mir saga lassa, dass mr für alle Melodia, bei dene dr Kombonischt net scho mindeschtens siebzich Johr dod wär, heutzudag ‚GEMA‘-Gebühra zahla müasst. Desweg und weil mr halt dr Gemeindesäckel net no weiter belaschta dürft, hätt mr gar koi ondre Wahl, als diese alte Schinka nuff und nunder zu glöckla. Und weil dr Schtaat oder sonschtwer immer irgendwo sei Hand uffhält, muass dr rechtschaffene, hörfähige Bürger eba zwangsläufig seine Lauscher drfür herhalta. Kultur und sei se noch so hochklingend, wird halt bloß dann gern toleriert, wenn se net für zusätzliche Ukoschta sorgt.

So isch’s End vom Liad, dass mr sich also mit alte Volksweisa begnüga muass, in dene sich’s dann grundsätzlich scho in dr zweita, aber dodsicher in dr dritta Schtrophe ums Schterba, ums Ableba oder um küahle Gräber dreht. Drbei hätt oim jo des hochhängende Glöcklesgebimmel a bissle Freid in dr trischte Alldag bringa solla. Doch jetz muass mr sich womeglich ernschthaft Angscht um hälinga eischleichende Depressiona macha.

Aber i glaub, so tiefschürfende Hintergedanka hent sich domols die Entscheidungsträger mit dem Für und Wider von ma Glockaschpiel net gmacht. Wenn die gwisst hättet, was für psychische Folga zwei Dutzend bronzene Volksliedvokünder orichta könnet, hättet se sich vielleicht die Sach genauer überlegt.

Ob die dauerhafte Zwangsbeschallung mit Untergangsmelodia meglicherweis die Selbschtmordrate nach oba treiba könnt, isch schtatistisch bisher no net erwiesa, wär aber am aktuell laufenda Großversuach zu beobachta. Doch sotte Sorga werdet net erkannt oder koiner will’s gwä sei. So kommt oim aus dr Dischtanz von ugfähr fuffzich Meter Luftlinie des Ortsgebimmel fascht wie Schellabergerles vor – also wie so’n Jugendschtreich, wo mr au dr Schuldiche nie recht hat vowischa könna.

Doch ob i bei dr nägschta Bürgerschprechschtund mol oschtändich d’Gosch uffreißa soll, des überleg i mir guat. Schließlich will mr jo net als notorischer Bruddler und Quertreiber doschteh. Erschwerend kommt halt leider no drzua, dass i zum neua klingenda Gemeindemittelpunkt selber au no ebbes gschpendet hab.

Ja und so werd i wohl treu und redlich des fuffzich Meter weit entfernte Geglöckel bis an mei seliges Ende vollends aushalta müassa – mit dem wachsenda Bewusstsei, dass irgendwann mol des küahle Grab au bloß fuffzich Meter weiter liegt…

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